Historische Küstenforschung

Historische Küstenforschung Schleswig-Holsteins positioniert sich regional, europäisch und global

Von Dr. habil. Dirk Meier: In Niedersachsen ist gerade ein größeres Forschungsprojekt zur Dokumentation der Kulturspuren im Watt bewilligt worden. Und in Schleswig-Holstein? Ebbe in den Kassen und Wattaktivitäten? „Nicht so ganz“, sagt der

Betzgen Brauer Meier Marczinkowski

Dr. Meier Rungholttage

Geoarchäologe Dr. habil. Dirk Meier, der die Rungholttage auf Nordstrand zusammen mit Robert Brauer, Cornelia Mertens und Ralph Betzgen vom Hotel-und Gaststättenverband organisiert und gerade sein neues Buch „Naturgewalten im Wattenmeer“ beim Boyens Verlag in Heide veröffentlicht hat. Diese werden mit Vorträgen und einer Exkursion nach Süderoog zwischen dem 24.-26.8.2012 stattfinden. „Wir erwarten u.a. den Geographen Prof. Dr. Guus J. Borger aus Amsterdam.“ Dieser schrieb an Dirk Meier: „Mein Angebot, etwas beizutragen an den Rungholttagen, ist ein kostenloses Angebot an Dich. Wir freuen uns darauf uns in Kürze wieder zu treffen und Erfahrungen und Pläne austauschen zu können!“ Dirk Meier, der seit 1988 Projekte zur historischen Küstenforschung leitet und u.a. das EU-Projekt Landschaft-und Kulturelles Erbe des Wattenmeeres (Lancewad) begründete, ist gerade als Korrespondent für das Wattenmeer Schleswig-Holsteins in die niederländische Stiftung „Verdronken Geschiedenis“ (Ertrunkene Geschichte) berufen worden. Ferner hat er den Bereich der historischen Küstenforschung auf den internationalen Tagungen in San Miniato, veranstaltet vom Deutschen Historischen Institut in Rom (2008), in Gent (2010) sowie der Waddenacademie in Leeuwarden (2010, 2011) vertreten. „Im August werde ich wieder an einer internationalen Konferenz zum Kulturerbe an der Tagung der Waddenacademie teilnehmen. Seit fast 25 Jahren bin ich in allen Küstenregionen der Nordseeküste unterwegs.“

Im Vorstand des Vereins „Wir sind Dithmarschen e.V.“ (Vorsitz: MdL Oliver Kumbartzky) vertritt Dr. Meier ebenfalls die Interessen der Forschung. „Zusammen mit den Vertretern der Politik haben wir die Zukunft des Kreises im Blick.“ Meier fühlt sich dabei einem Konzept verpflichtet, dass 1987 aus einem Gespräch des damaligen Wirtschaftsministers Roger Asmussen und des Kanzlers der Universität Kiel, Horst Neumann, im Kieler Yachtclub entstanden sei: „Das war der Grundstein des Forschungs-und Technologiezentrums Westküste, das die Nordseeforschung der Universität Kiel auf breiter interdisziplinärer Basis als zentrales, direkt dem Rektorat (jetzt Präsidium) der Universität unterstellten Institut koordinieren sollte.“ Das Konzept sah seinerzeit auch ein Ozeaneum als Schaufenster der Forschung vor.

Mertens, Dr. Meier

Dr. Meier bei Fernsehaufnahmen

Zwar konnte dieses nicht realisiert werden, dafür die Sturmflutenwelt „Blanker-Hans“, wo Dr. Meier 1. Vorsitzender des Fördervereins ist, während Dr. Vanselow vom FTZ-Westküste den 2. Vorsitz inne hat. Ebenfalls ist das FTZ einbezogen in das von Dr. Meier geleitete wissenschaftliche Kompetenzteam der Sturmflutenwelt. „Dieses wurde 2007 auf meine Initiative über den Hauptausschuss der Gemeinde Büsum eingerichtet. Wir rufen es aber nur ein, wenn es akut notwendig ist.“ Vorsitzender ist Dr. Meier. Im Gremium sind u.a. auch vertreten der Geologe Dr. Klaus Ricklefs vom FTZ, Prof. Dr. Hans von Storch vom Helmholzzentrum Geesthacht bzw. als Vertreter Frau Dr. Mainz vom Klimabüro Nord sowie Dr. Jacobus Hofstede vom Ministerium für Ländliche Räume. „Dass die Sturmflutenwelt nun jüngst als Bildungspartner für Nachhaltigkeit zertifiziert worden ist, freut uns sehr.“

Neben den sich intensivierenden Verbindungen zum Lehrstuhl für Landes-und Regionalgeschichte der Universität Kiel denkt Meier auch über globale Projekte nach. Da kann es sein, dass er mit dem aus Brasilien stammenden Prof. Dr. Roberto Mayerle, dem Leiter des FTZ, mal einen Kaffee trinkt, sich kurz danach an der Nordküste von Bali befindet, in Bandung auf Java an der Universität mit Kollegen über Projektmöglichkeiten im Bereich der historischen Tsunamiforschung diskutiert, auf dem Rückflug von Bandung nach Bali verloren geht und realisiert, wie schwierig sich schon Kleinigkeiten in dieser Inselwelt gestalten. Ebenfalls denkt er über einen Link in den Südpazifik nach, wo er einen Kontakt zu Prof. Dr. Patrick Nunn unterhält, der bis vor kurzen an der University of the South Pacific, Suva, Fiji, lehrte. „Im Südpazifik sind die Atollstaaten Kiribati und Tuvalu, welche die Universität mittragen, vom Meeresspiegelanstieg bedroht, bei uns vielleicht eines Tages die Halligen, deren Aufgabe man bereits nach der so verheerenden Sturmflut von 1825 erwog.“ Bei der 3rd Joint International Conference of IGCP: „Preparing for Coastal Change“ und INQUA 1001: „Late Quaternary records of coastal evolution“ wird Meier einen workshop zur Geoarchäolgie und Meeresspiegelschwankungen halten.

Nein, es ist keine Ebbe in der Wattforschung, an langfristigen Konzepten mangelt es jedenfalls nicht in Schleswig-Holstein. Nicht immer Geld ist das Wichtigste, sondern die Synergien.

Warum nun diese Internationalisierung? Meier sagt: „Das stärkt den Frieden. Mein Vater (1914 im Kronprinzenkoog in Dithmarschen geboren, 1984 in Flensburg gestorben) kam als Major und Regimentskommandeur nach der Kapitulation der Heeresgruppe Kurland 1945 in russische Gefangenschaft und kehrte aus Sverdlowsk erst 1955 zurück. Für meinen Großvater Theodor Andresen in Flensburg, der seit 1933 auf der Liste der Gestapo stand war es die Befreiung ebenso wie für den dänischen Teil unserer Familie, wo mein Großonkel Christian Nielsen als Grenzgendarm im Internierungslager Fröslee einsaß. Ohne die dänische Minderheit, ohne die Freunde meines Großvaters, die dafür sorgten, dass er wieder von der Liste kam, hätte er nicht überlebt. Ich war als Kind immer in Kopenhagen. Singe das Schleswig-Holstein Lied ebenso wie den Kongesong.“ Wenn Frau Sporendonk im Fernsehen ihren Leuchter aus der Zeit Frederiks VII. zeigt, so steht bei Meier der gleiche, neben Archivalien und anderen Gegenständen über Generationen vererbt von der alten Hufe in Wees. „Wenn man zwischen deutsch und dänisch aufwächst, dann freut es einen sehr, dass auch der SSW als kulturelles Gewissen an einer Regierung dieses Landes endlich einmal beteiligt worden ist.“

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