Ganze Forschergenerationen haben sich mit der Frage beschäftigt, ob es eine Kirche auf Rungholt gab. Hans-Herbert Henningsen war sich sicher, dass es eine Kollegiatskirche, also eine Hauptkirche auf Rungholt gegeben haben muss. Hinweise auf diese Kirche fand er in dem Resgistrum capituli von 1437, das auf eine Hebungsliste von 1352 zurück geht. Das Register entstand also genau 10 Jahre, bevor Rungholt 1362 unterging. Henningsen vermutete weiter, dass die Kirche aus Holz gebaut worden sein musste. Dies schloss er daraus, weil Andreas Busch auf der von ihm entdeckten „Warft Nr.1“, der mutmaßlichen „Kirchwarft“, nur Abdrücke von Fundamenten und keine Mauersteine fand (Henningsen, H.-H. (2000). Rungholt. S. 132-133).
Rungholt war ca. 150 Jahre alt, als es unterging. Es wurde in einer Zeit gegründet, als der Holzkirchenbau durch den Bau von Tuffsteinkirchen abgelöst wurde. Dieser fand nach Jürgen Newig zwischen 1150 und 1220 in Nordfriesland in großem Maßstab statt (Newig, J. (2016). Rungholt. S. 10). Tuffstein ist in Nordfriesland ein gelblicher, leichter und poröser Mauerstein vulkanischen Ursprungs. Er ist beispielsweise in der alten Kirche auf Pellworm verbaut worden und wurde aus Holland mit Schiffen importiert. Er konnte deshalb nur in der Nähe von Häfen verbaut werden.
Erste Hinweise auf Tuffsteine vor Südfall fand der Heimatforscher Robert Brauer 1985, als er zwei Bruchstücke von gelben Mauersteinen im Gebiet von Rungholt entdeckte. Es waren die bisher einzigen Hinweise auf einen Tuffsteinbau und damit auf eine Rungholter Kirche, in diesem Wattgebiet.
Im Juni dieses Jahres fand während einer Wattführung der Nationalparkwattführerin Cornelia Kost ins Rungholtgebiet der Nordstrander Hans-Herbert Kahl ein gelbes Mauersteinartefakt. Das Artefakt wurde in 2.200 m Entfernung östlich der „Warft Nr. 1“ gefunden, damit in einem Bereich, in dem nicht damit zu rechnen war, Reste der Kirche zu finden.
Robert Brauer kann sich erinnern: „Meine Tuffstein-Fragmente habe ich 1.800 m nordöstlich der „Warft Nr. 1“ gefunden. Ich bin mir sicher, dass der aktuelle Fund auch ein Tuffstein ist.“ Der Stein ist so leicht, dass er durch die Gezeiten zu seinem Fundort verdriften konnte, mutmaßt der 81jährige Rungholtexperte. Er wurde gut 1.100 m südöstlich der Position der ersten Funde vor 36 Jahren entdeckt und damit in einem ähnlichen Radius wie diese. Das archäologische Landesamt wurde durch eine Fundanzeige informiert.
„Damit sind wir in der Rungholtforschung und der Lokalisierung der Kirche einen Schritt weiter gekommen“, so Brauer. Die Steine können der Beweis für die Existenz einer Kollegiatskirche auf Rungholt sein, der bisher gefehlt hat. Durch die zukünftigen Veränderungen rechnet Robert Brauer mit weiteren Überraschungen, die das Watt für die kommenden Generationen bereit hält.