Das letzte Gebet

Auf Rungholt

Auf Rungholt

Das Gebet auf der Höhe der Rungholter Kirche ist mittlerweile fester Bestandteil der Rungholtwattwanderungen. Damit wird den vielen Menschen gedacht, die hier verstorben sind. Es soll den Blick von der Sage, in der der Rungholter Pfarrer das Unglück herauf beschwört, auf das tatsächliche Geschehen richten. Die 1. Mandränke dauerte 3 Tage vom 15. bis 17. Januar 1362, damals von Samstag bis Montag. Höhepunkt der Flut war am Sonntag, den 16ten. Das Wasser stieg 2,4 m hoch, die Deiche hatten maximal 2 m Höhe. An der  Nordseeküste sollen 100.000 Menschen gestorben sein, in der Edomsharde gingen 7 Kirchspiele unter und 7.600 Menschen ertranken.

Wenn überhaupt dafür noch Zeit war, hat der Geistliche der Rungholter mit und für die Menschen gebetet. Die Frage, was er denn mit ihnen gebetet haben könnte, hat mir Pastor Dr. Schweda beantwortet und auf die Psalme 69 und 46 aus dem Alten Testament hingewiesen. Diese Texte haben einen erstaunlichen Bezug zur Sturmflut und deshalb habe ich sie etwas bearbeitet und trage sie auf Rungholt vor – das letzte Gebet der Rungholter vor ihrem Untergang:

(Psalm 69)
Ich versinke im tiefen Schlamm, wo kein Grund ist;
ich bin im tiefen Wasser, und die Flut will mich ersäufen.
Ich habe mich müde geschrien, mein Hals ist heiser;
Meine Augen sind trübe geworden, weil ich so lange warten muss auf meinen Gott.
Gott, du weißt meine Torheit, und meine Schulden sind dir nicht verborgen.

Ich aber bete, Herr, zu dir zur Zeit der Gnade.
Gott, durch deine große Güte, erhöre mich mit deiner treuen Hilfe!
Errette mich aus dem Schlamm, daß ich nicht versinke,
daß ich errettet werde vor denen die mich hassen
und aus dem tiefen Wasser,

dass mich die Wasserflut nicht ersäufe und die Tiefe nicht verschlinge
und das Loch des Brunnens nicht über mir schließe.

Erhöre mich, Herr, denn deine Güte ist tröstlich;
wende dich zu mir nach deiner großen Barmherzigkeit
und verbirg dein Angesicht nicht vor deinem Knechte;

denn mir ist angst;
erhöre mich eilend! Es lobe ihn Himmel, Erde und Meer und alles, was sich darin reget.

(Psalm 46)
Darum fürchten wir uns nicht,
wenngleich die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken,

wenngleich das Meer wütete und wallte
und von seinem Ungestüm die Berge einfielen.

Kommt her und schauet die Werke des Herrn, der auf Erden solch ein Zerstören anrichtet, …

Seid stille und erkennet, daß ich Gott bin!