Mit der untergegangenen Welt vor Nordfriesland haben sich zahlreiche Wissenschaftler beschäftigt. Vieles begann mit der 1652 in der Danckwerth Chronik veröffentlichten Karte mit Namen „Landtcarte Von dem Alten Nortfrieslande Anno 1240“ vom Husumer Kartographen Johannes Mejer. Mit der phantasievollen Darstellung der untergegangenen Uthlande wurde die Frage nach der durch den Blanken Hans vernichteten Kulturlandschaft populär: Bis heute gehen Hobbyforscher und Wissenschaftler der Frage nach, wie groß die Flächen des untergegangenen Landes waren, warum es unterging und wie es besiedelt und bedeicht wurde.
Dass sich diese Fragen immer wieder neu stellen, dafür sorgt die Natur. Das Watt lässt Spuren verschwinden und fördert sie wieder zu Tage. Alles in einem Prozess, der sich in Jahren und Jahrzehnten misst. Die Erkenntnis um den Wert der Kulturspuren als Relikte der untergegangenen Welt wuchs nur langsam. Zu den ersten Wissenschaftlern, die den Wert der Kulturspuren als Zeugnisse der Vergangenheit erkannten, gehörte der Geologe Meyn, der 1872 bei seiner Beschreibung der Hamburger Hallig, diese als Dokumente zur Klärung der Erdgeschichte dieses Gebietes betrachtete. Sieht man von den sporadischen Erwähnungen einiger frühneuzeitlicher Chronisten über Kulturspuren ab, begann eine Erfassung der Kulturspuren erst im frühen 20. Jahrhundert. Einer der ersten war der 1883 geborene Bauer Andreas Busch von Nordstrand, der in zahlreichen Skizzen und Berichten seit 1921 zahlreiche Warften, Sodenbrunnen, Reste zweier Siele und eines Deiches im Gebiet von Hallig Südfall kartierte und diese als Rungholt deutete. Wissenschaftler wie der Geograph Dr. Albert Bantelmann, der Biologe Dr. Erich Wohlenberg, der Geologe Dr. Dietrich Hoffmann trugen viel zur Klärung der eng verbundenen Landschaftsentwicklung und Siedlungsgeschichte bei.
In einer Arbeitsgruppe zur historischen Küstenforschung haben sich nun die Archäologen Dr. Hans Jochen Kühn und Dr. habil. Dirk Meier sowie die Nationalparkwattführer Cornelia Mertens und Robert Brauer zusammengefunden. Mit Hilfe der GPS-Technik kartierte Cornelia Mertens viele neue und alte Kulturspuren im Wattenmeer und speicherte diese in einer GIS-Karte.
Die Erkenntnisse dieser Arbeitsgruppe sowie den Stand der Forschung hat als Initiator der Dithmarscher Geoarchäologe Dr. Dirk Meier in einem großformatigen Buch zusammengetragen und veröffentlicht. Als Mitautoren hat er als Autoren vor allem Hans Joachim Kühn und den Geographen Prof. Dr. Guus J. Borger (Amsterdam) gewinnen können. Mitgearbeitet haben als Experten vor Ort der Pellwormer Hellmut Bahnsen und der Nordstrander Robert Brauer.
Das Buch „Der Küstenatlas. Das schleswig-holsteinische Wattenmeer in Vergangenheit und Gegenwart“ ist das umfassendste Werk über die Kulturspuren von Schleswig-Holstein.
Auf 200 Seiten widmen sich die Autoren jedem untergegangenen Ort in den Uthlanden und erläutern anhand der gefundenen Spuren seine Lage und Geschichte. Meier gelingt es dabei mit seinen Grafiken, komplexes Geschehen anschaulich und verständlich darzustellen. Das wird für den Leser spektakulär, wenn er das Geschehen der 2. Mandränke verbildlicht (S. 106 ff) oder den Norderneukoog vor Pellworm anhand von Luftbildern rekonstruiert (S. 140 ff). In diesem einmaligen Küstenatlas sind alle wissenschaftlich belegbaren Fakten von Profis und Amateuren gesammelt und interpretiert worden. Die Autoren haben damit den heutigen Stand der Forschung vor dem Vergessen bewahrt und viele Antworten geliefert.
Das ist eine Arbeit, die über viele Jahre Bestand haben wird. Er hat die Grundlage für eine Aufgabe geschaffen, die einer zukünftigen Generation von Hobbyforschern, Heimatkundlern und Wissenschaftlern überlassen bleiben muss: die wirkliche Karte der Insel Strand fertig zu stellen. Vorgestellt wird das Buch, für das der Umweltminister Dr. Robert Habeck das Vorwort geschrieben hat, u.a. auf den diesjährigen Rungholttagen auf Nordstrand.
Der Küstenatlas.
Das schleswig-holsteinische Wattenmeer in Vergangenheit und Gegenwart
Dirk Meier (Autor), Hans Joachim Kühn (Autor), Guus J. Borger (Autor)
Gebundene Ausgabe: 200 Seiten
Boyens Buchverlag (April 2013)
ISBN-10: 3804213812
ISBN-13: 978-3804213814